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Sternengeschichten Folge 539: Der Transit der Venus

18:34
 
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Das Maß aller Dinge

Sternengeschichten Folge 539: Der Transit der Venus

Ich erinnere mich noch sehr gut an den 8. Juni 2004. Vor allem deswegen, weil am nächsten Tag meine Defensio stattgefunden hat, also der Vortrag, bei dem ich die Ergebnisse meiner Doktorarbeit präsentieren musste und je nachdem wie diese Ergebnisse von meinen Kolleginnen und Kollegen beurteilt würden, würde ich mein Studium erfolgreich abschließen oder nicht. Ich war also entsprechend nervös und hatte gar nicht so viel Zeit, mich dem seltenen astronomischen Ereignis zu widmen, das an diesem Tag stattfand: Dem Transit der Venus vor der Scheibe der Sonne. Von der Erde aus gesehen ist die Venus am 8. Juni 2004 genau vor der Sonne vorbei gezogen. Wenn man die Sonne - natürlich nur mit entsprechenden Filtern - mit einem Teleskop beobachtet hat, hat man einen kleinen dunklen Punkt gesehen, der schnurgerade seinem Weg über ihre helle Oberfläche folgt. Etwas besser erinnere ich mich an den 6. Juni 2012, als der nächste Venustransit stattgefunden hat. Ich weiß nicht, ob und an welche Transits sich die Hörerinnen und Hörer dieses Podcasts erinnern, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es nur die Transits am 8. Juni 2004 und am 6. Juni 2012 gewesen sein können. Denn der letzte Transit vor 2004 fand im Jahr 1882 statt. Und auch wenn dieser Podcast noch sehr lange im Internet verfügbar sein sollte, wäre ich doch überrascht, wenn hier jetzt jemand mithört, der oder die den Transit gesehen hat, der auf das Ereignis im Jahr 2012 gefolgt ist. Das wäre nämlich der 11. Dezember 2117 und falls es doch so sein sollte: Hallo Zukunft, viele Grüße aus dem frühen 21. Jahrhundert!

Aber was ist so besonders, wenn die Venus vor der Sonne vorrüber zieht? Und warum passiert so etwas zweimal im Abstand von knapp 8 Jahren und über hundert Jahre davor und danach nicht? Die Antwort auf beide Fragen ist faszinierend und deswegen soll es in dieser Folge genau darum gehen. Die Antwort auf die erste Frage habe ich zum Teil schon in Folge 263 gegeben. Da ging es um die Längeneinheiten in der Astronomie und eine die sehr weit verbreitet ist, ist die Astronomische Einheit. Eine Astronomische Einheit ist genau 149 Millionen 597 870,7 Kilometer lang. Heute ist der Wert einfach so festgelegt, aber ursprünglich war die Astronomische Einheit als der mittlere Abstand zwischen Erde und Sonne definiert. Und der Abstand zwischen Sonne und Erde ist ja durchaus eine fundamentale Größe. Es ist absolut wichtig zu wissen, wie weit unser Planet von der Sonne entfernt ist beziehungsweise überhaupt zu wissen, wie weit irgendwas von irgendwas anderem im Sonnensystem entfernt ist. Aber wie hat man das rausgefunden? Die komplette Geschichte dieser Forschung würde mehr als nur eine Podcastfolge füllen, aber die kurze Version geht so:

Die relativen Abstände zwischen den Himmelskörpern lassen sich recht einfach herausfinden. Seit den grundlegenden Arbeiten von Johannes Kepler und Isaac Newton im 17. Jahrhundert wissen wir im Grunde darüber Bescheid, wie sich die Planeten um die Sonne bewegen. Wir wissen, dass sie sich schneller oder langsamer bewegen, je nachdem wie weit sie von der Sonne entfernt sind. Das dritte Keplersche Gesetzt sagt uns sogar direkt, wie die Umlaufzeiten der Planeten und ihre mittleren Abstände zur Sonne zusammenhängen. Mit diesem Wissen kann man zum Beispiel herausfinden, dass der Mars im Mittel 1,5 mal weiter von der Sonne entfernt ist als die Erde. Und dass der Jupiter gut 5 mal weiter von der Sonne weg ist als die Erde. Aber das sind eben relative Abstände. Wenn wir absolute Zahlen haben wollen, also zum Beispiel wissen wollen, wie viele Kilometer es von der Sonne bis zum Jupiter sind, dann müssen wir auch den Abstand zwischen Erde und Sonne in absoluten Zahlen kennen. Wie misst man das? Man kann ja nicht einfach hinfliegen und dann auf den Tacho schauen; schon gar nicht im 17. Jahrhundert. Aber es geht, wenn man einen Venustransit beobachtet. Die Idee dazu nennt sich Parallaxe und darüber habe ich ja schon öfter gesprochen. Wenn ich ein und das selbe Objekt aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachte, dann scheint es sich gegenüber dem Hintergrund zu bewegen. Wie stark diese scheinbare Bewegung ausfällt, hängt davon ab, wie weit die unterschiedlichen Beobachtungspositionen auseinander sind.

Das ist auch so, wenn man von der Erde aus die Venus beobachtet. Je nachdem, von welchem Ort aus man die Beobachtung anstellt, wird man die Venus vor einem leicht anderen Hintergrund sehen. Das ist immer so, aber es ist besonders gut zu beobachten, wenn die Venus gerade direkt vor der Sonne zu sehen ist. Schaut man zum Beispiel von einem Punkt weit im Norden aus dem Transit zu, dann wird man die Venus näher am Mittelpunkt der Sonne vorbei ziehen sehen als von einem Beobachtungspunkt im Süden, wo die scheinbare Bahn der Venus weiter auf der Sonnenscheibe hinauf rutscht. Von Süden aus gesehen verbringt die Venus als weniger Zeit direkt vor der Sonne, weil ihr Weg vor der Sonnenscheibe näher am Rand der Sonne stattfindet und damit kürzer als als der Weg, den man von Norden sieht. Es gibt noch ein paar mehr Effekte die man berücksichtigen muss, aber das ist das Prinzip. Man stellt unterschiedliche Beobachtungen von unterschiedlichen Orten der Erde während eines Venustransits an. Und misst so genau wie möglich die Zeit, die die Venus braucht um von einem Rand der Sonne zum anderen zu gelangen. Der Unterschied in den Messungen hängt davon ab, wie weit die Beobachtungsposten auseinander sind, und vom Abstand zwischen Erde und Venus. Die Distanz zwischen den Beobachtungsstationen auf der Erde kann man messen. Die Dauer des Transits ebenso. Und damit hat man alle Informationen die man braucht um die Distanz zwischen Erde und Venus in absoluten Zahlen zu berechnen, womit dann auch der Abstand zwischen Erde und Sonne berechnet werden kann und alle anderen Abstände im Sonnensystem.

Diese Methode war insofern enorm praktisch, weil man nicht, wie sonst bei der Parallaxe, den Winkel messen muss, um den sich ein Objekt scheinbar vor dem Hintergrund bewegt. Das ist sehr aufwendig und schwer exakt zu bewerkstelligen. Bei einem Venustransit reicht es aber, die Dauer zu messen, die die Venus vor der Sonne verbringt. Und Zeitmessung war auch im 18. Jahrhundert schon einigermaßen genau möglich. Also zu der Zeit, als Edmond Halley im Jahr 1716 als erster die Idee hatte, den Abstand zwischen Erde und Sonne auf diese Weise zu berechnen. Blöd nur, dass damals kein Venustransit in Reichweite war. Der letzte fand im Jahr 1639 statt und war überhaupt der erste, der nachweislich beobachtet worden ist (so etwas sieht man ja nicht mit freiem Auge und man muss vorher genau berechnen, wann so ein Ereignis stattfindet, wenn man es sehen will). Halley konnte rechnen und wusste, dass der nächste Transit am 6. Juni 1761 stattfinden würde. Der damals 60jährige Astronom konnte sich denken, dass er dieses Ereignis nicht mehr erleben würde, hat aber seine jüngeren Kollegen aufgefordert, sich diese Gelegenheit gefälligst nicht entgehen zu lassen. Was diese auch nicht getan haben. Überall auf der Welt versuchte man im Jahr 1761 die nötigen Messungen anzustellen und das gleiche ist auch noch acht Jahre später passiert, als 1769 der nächste Transit stattgefunden hat. Es gab jede Menge Schwierigkeiten, Abenteuer und man kann wunderbare Geschichten über dieses quasi erste weltweite Forschungsprojekt erzählen. Was ich aber ein anderes Mal tun werde. Am Ende jedenfalls hatte man ein Ergebnis, das aber nicht so genau war, wie gehofft. Die Messungen waren schwieriger als gedacht; 1769 lief es dann schon ein wenig besser und man kam auf einen Abstand zwischen Erde und Sonne von 153 Millionen Kilometer. Schon recht nahe am richtigen Wert, noch besser war es dann beim Transit von 1882. Auch acht Jahre davor gab es einen Transit, aber 1874 war der Transit von fast ganz Europa aus unsichtbar, was eine wirklich genaue Messung behindert hat. Aber 1882 lief es ein wenig besser und man konnte den Wert der Astronomischen Einheit ein wenig genauer bestimmen.

Und vielleicht ist dem einen oder der anderen etwas aufgefallen. Es gab zwei Transits in den Jahren 2004 und 2012. Und zwei in den Jahren 1761 und 1769. Und zwei in den Jahren 1874 und 1882. Mal abgesehen von den langen Zeiträumen dazwischen finden Venustransits offensichtlich immer gleich doppelt stand, mit einem zeitlichen Abstand von acht Jahren. Das kann doch kein Zufall sein? Ist es natürlich auch nicht, sondern wunderbare Himmelsmechanik. Wenn die Venus von der Erde aus gesehen vor der Sonne steht, nennt man das eine "untere Konjunktion" und sie findet alle 583,92 Tage statt. Warum? Weil die Erde für eine Runde um die Sonne 365,256 Tage braucht. Ein Umlauf in 365,256 Tagen, das entspricht einer Geschwindigkeit von 0,0027 Umläufen pro Tag, was zugegebenermaßen eine etwas komische Weise ist eine Geschwindigkeit anzugeben, aber absolut ausreichend für unsere Zwecke. Die Venus bewegt sich mit 0,00445 Umlaufen pro Tag und der Unterschied zwischen beiden Geschwindigkeiten beträgt 0,00171 Umläufe pro Tag. Oder ein kompletter Umlauf um die Sonne alle 583,92 Tage. Anders gesagt: Alle 583,92 Tage steht die Venus wieder in einer unteren Konjunktion. Jetzt gibt es aber nicht alle 583,92 Tage einen Venustransit.

Das liegt darin, dass die Venusbahn ein bisschen in Bezug auf die Erdbahn geneigt ist. Die Linie an der sich die Ebene der Venusbahn und die Ebene der Erdbahn schneiden nennt man die Knotenlinie und diese Linie hat zwei Knotenpunkte, nämlich dort wo sich die Venusbahn mit der Knotenlinie schneidet. Einmal kommt die Venus quasi von oben nach unten durch die Ebene der Erdbahn und einmal von unten nach oben. Und nur wenn die Venus während einer unteren Konjunktion genau in einem Knotenpunkt steht, gibt es einen Venustransit. Wenn wir mal davon ausgehen, dass das zu einem bestimmten Zeitpunkt so ist - wann passiert das das nächste Mal? Nicht nach 583,92 Tagen, dann steht die Venus von der Erde aus gesehen zwar wieder vor der Sonne, aber nicht auf der Knotenlinie sondern irgendwo anders und damit von der Erde aus gesehen ein Stück über oder unter der Sonne. Wir wollen jetzt wissen, wann sich eine untere Konjunktion wiederholt, in der die Venus auf der Knotenlinie steht. Ich spare mir jetzt ein wenig Mathematik und komme gleich zum Ergebnis, nämlich der Tatsache, dass die Erde für acht Umläufe um die Sonne fast genau so lange braucht wie die Venus für 13 Runden. Im ersten Fall sind es 2922,048 Tage, im zweiten Fall 2921,113 Tage. Das nennt sich eine 8:13 Resonanz und heißt: Nach acht Jahren stehen Erde und Venus also in Bezug auf die Sonne wieder so wie zuvor. Wenn die Venus heute auf der Knotenlinie steht, dann wird sie das in acht Jahren wieder tun. Und jetzt schauen wir noch mal auf die 583,92 Tage von vorhin, also die Periode mit der sich eine untere Konjunktion wiederholt. Wenn wir das mit 5 multiplizieren, dann landen wir bei 2919,6 Tagen. Was sehr nahe an den 2922 bzw 2921 Tagen liegt, die wir für die 8:13 Resonanz berechnet haben. Während der acht Jahre, die vergangen sind, seit die Venus das letzte Mal auf der Knotenlinie gestanden ist, haben fünf untere Konjunktionen stattgefunden und die letzte davon zufällig wieder fast genau zu dem Zeitpunkt, an dem die Venus das nächste mal auf der Knotenlinie stand. Und das "fast" ist es, dass die Sache noch ein wenig komplizierter macht. Denn wir haben jetzt rausgefunden, warum sich Venustransits nach acht Jahren wiederholen. Aber noch nicht, warum sie sich nicht ALLE acht Jahre wiederholen. Das liegt an den knapp 2,5 Tagen Unterschied zwischen den beiden Perioden, also der 8:13 Resonanz und der 5fachen Periode der unteren Konjunktion. Ich spare mir wieder die entsprechende Rechnerei, aber wegen dieser Differenz ist die Venus nach acht Jahren 2,5 Tage früher vor Ort als die Erde. Während der 2,5 Tage die die Erde braucht um den Punkt zu erreichen, von dem aus ein Venustransit zu sehen ist, bewegt sich natürlich auch die Venus weiter. Ein Stück von der Knotenlinie weg und damit auch ein Stück nach oben oder unten in Bezug auf die Erdbahn. Um circa 269.000 Kilometer, was einem Winkel von 0,36 Grad entspricht. Der Winkel, den die Sonne von der Erde aus gesehen überdeckt ist aber nur 0,5 Grad groß. Wenn die Venus als zum Beispiel beim ersten Transit gerade am unteren Rand der Sonnenscheibe zu sehen war, dann wird sie beim nächsten Transit acht Jahre später 0,36 Grad weiter oben stehen. Und nochmal acht Jahre später wieder 0,36 Grad weiter oben und damit schon über der Sonne. Es ist kein Transit mehr zu sehen, für lange Zeit. Wie lange?

Das sehen wir, wenn wir uns die Umlaufzeiten noch ein wenig genauer anschauen. Die 8:13 Resonanz von vorhin war zwar halbwegs exakt, aber nicht ganz. Sehr viel exakter ist die Übereinstimmung zwischen 243 Erdjahren, 395 Umläufen der Venus und 152 Wiederholungen der unteren Konjunktion (das dürfen jetzt alle selbst nachrechnen). Nur alle 243 Jahre wiederholt sich die Situation eines Venustransits also wirklich exakt. Und da es ja zwei Knotenpunkt gibt, kriegen wir alle 243 geteilt durch 2 Jahre, also alle 121,5 Jahre einen Transit. Das Transitpaar, das in den Jahren 2117 und 2125 stattfinden wird (oder stattgefunden hat; nochmal Hallo an die Zukunft!) ist die Wiederholung des Transitpaares, das 243 Jahre zuvor in den Jahren 1874 und 1882 stattgefunden hat. Die Transits aus den Jahren 2004 und 2012 sind die Wiederholung der Transits von 1761 und 1769.

Ich weiß, das waren viele Zahlen in dieser Folge. Aber so ist die Astronomie eben auch. Und ich finde es ziemlich erstaunlich, dass man mit gar nicht so komplizierter Mathematik so fundamentale Rechnungen anstellen kann. Wir haben ja wirklich nicht mehr als die Grundrechenarten benötigt und ein bisschen simple Geometrie. Und am Ende konnten wir damit die Ausmaße des Sonnensystems bestimmen und die Abstände zu den Planeten, lange bevor wir in der Lage waren, dorthin zu fliegen.

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Das Maß aller Dinge

Sternengeschichten Folge 539: Der Transit der Venus

Ich erinnere mich noch sehr gut an den 8. Juni 2004. Vor allem deswegen, weil am nächsten Tag meine Defensio stattgefunden hat, also der Vortrag, bei dem ich die Ergebnisse meiner Doktorarbeit präsentieren musste und je nachdem wie diese Ergebnisse von meinen Kolleginnen und Kollegen beurteilt würden, würde ich mein Studium erfolgreich abschließen oder nicht. Ich war also entsprechend nervös und hatte gar nicht so viel Zeit, mich dem seltenen astronomischen Ereignis zu widmen, das an diesem Tag stattfand: Dem Transit der Venus vor der Scheibe der Sonne. Von der Erde aus gesehen ist die Venus am 8. Juni 2004 genau vor der Sonne vorbei gezogen. Wenn man die Sonne - natürlich nur mit entsprechenden Filtern - mit einem Teleskop beobachtet hat, hat man einen kleinen dunklen Punkt gesehen, der schnurgerade seinem Weg über ihre helle Oberfläche folgt. Etwas besser erinnere ich mich an den 6. Juni 2012, als der nächste Venustransit stattgefunden hat. Ich weiß nicht, ob und an welche Transits sich die Hörerinnen und Hörer dieses Podcasts erinnern, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es nur die Transits am 8. Juni 2004 und am 6. Juni 2012 gewesen sein können. Denn der letzte Transit vor 2004 fand im Jahr 1882 statt. Und auch wenn dieser Podcast noch sehr lange im Internet verfügbar sein sollte, wäre ich doch überrascht, wenn hier jetzt jemand mithört, der oder die den Transit gesehen hat, der auf das Ereignis im Jahr 2012 gefolgt ist. Das wäre nämlich der 11. Dezember 2117 und falls es doch so sein sollte: Hallo Zukunft, viele Grüße aus dem frühen 21. Jahrhundert!

Aber was ist so besonders, wenn die Venus vor der Sonne vorrüber zieht? Und warum passiert so etwas zweimal im Abstand von knapp 8 Jahren und über hundert Jahre davor und danach nicht? Die Antwort auf beide Fragen ist faszinierend und deswegen soll es in dieser Folge genau darum gehen. Die Antwort auf die erste Frage habe ich zum Teil schon in Folge 263 gegeben. Da ging es um die Längeneinheiten in der Astronomie und eine die sehr weit verbreitet ist, ist die Astronomische Einheit. Eine Astronomische Einheit ist genau 149 Millionen 597 870,7 Kilometer lang. Heute ist der Wert einfach so festgelegt, aber ursprünglich war die Astronomische Einheit als der mittlere Abstand zwischen Erde und Sonne definiert. Und der Abstand zwischen Sonne und Erde ist ja durchaus eine fundamentale Größe. Es ist absolut wichtig zu wissen, wie weit unser Planet von der Sonne entfernt ist beziehungsweise überhaupt zu wissen, wie weit irgendwas von irgendwas anderem im Sonnensystem entfernt ist. Aber wie hat man das rausgefunden? Die komplette Geschichte dieser Forschung würde mehr als nur eine Podcastfolge füllen, aber die kurze Version geht so:

Die relativen Abstände zwischen den Himmelskörpern lassen sich recht einfach herausfinden. Seit den grundlegenden Arbeiten von Johannes Kepler und Isaac Newton im 17. Jahrhundert wissen wir im Grunde darüber Bescheid, wie sich die Planeten um die Sonne bewegen. Wir wissen, dass sie sich schneller oder langsamer bewegen, je nachdem wie weit sie von der Sonne entfernt sind. Das dritte Keplersche Gesetzt sagt uns sogar direkt, wie die Umlaufzeiten der Planeten und ihre mittleren Abstände zur Sonne zusammenhängen. Mit diesem Wissen kann man zum Beispiel herausfinden, dass der Mars im Mittel 1,5 mal weiter von der Sonne entfernt ist als die Erde. Und dass der Jupiter gut 5 mal weiter von der Sonne weg ist als die Erde. Aber das sind eben relative Abstände. Wenn wir absolute Zahlen haben wollen, also zum Beispiel wissen wollen, wie viele Kilometer es von der Sonne bis zum Jupiter sind, dann müssen wir auch den Abstand zwischen Erde und Sonne in absoluten Zahlen kennen. Wie misst man das? Man kann ja nicht einfach hinfliegen und dann auf den Tacho schauen; schon gar nicht im 17. Jahrhundert. Aber es geht, wenn man einen Venustransit beobachtet. Die Idee dazu nennt sich Parallaxe und darüber habe ich ja schon öfter gesprochen. Wenn ich ein und das selbe Objekt aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachte, dann scheint es sich gegenüber dem Hintergrund zu bewegen. Wie stark diese scheinbare Bewegung ausfällt, hängt davon ab, wie weit die unterschiedlichen Beobachtungspositionen auseinander sind.

Das ist auch so, wenn man von der Erde aus die Venus beobachtet. Je nachdem, von welchem Ort aus man die Beobachtung anstellt, wird man die Venus vor einem leicht anderen Hintergrund sehen. Das ist immer so, aber es ist besonders gut zu beobachten, wenn die Venus gerade direkt vor der Sonne zu sehen ist. Schaut man zum Beispiel von einem Punkt weit im Norden aus dem Transit zu, dann wird man die Venus näher am Mittelpunkt der Sonne vorbei ziehen sehen als von einem Beobachtungspunkt im Süden, wo die scheinbare Bahn der Venus weiter auf der Sonnenscheibe hinauf rutscht. Von Süden aus gesehen verbringt die Venus als weniger Zeit direkt vor der Sonne, weil ihr Weg vor der Sonnenscheibe näher am Rand der Sonne stattfindet und damit kürzer als als der Weg, den man von Norden sieht. Es gibt noch ein paar mehr Effekte die man berücksichtigen muss, aber das ist das Prinzip. Man stellt unterschiedliche Beobachtungen von unterschiedlichen Orten der Erde während eines Venustransits an. Und misst so genau wie möglich die Zeit, die die Venus braucht um von einem Rand der Sonne zum anderen zu gelangen. Der Unterschied in den Messungen hängt davon ab, wie weit die Beobachtungsposten auseinander sind, und vom Abstand zwischen Erde und Venus. Die Distanz zwischen den Beobachtungsstationen auf der Erde kann man messen. Die Dauer des Transits ebenso. Und damit hat man alle Informationen die man braucht um die Distanz zwischen Erde und Venus in absoluten Zahlen zu berechnen, womit dann auch der Abstand zwischen Erde und Sonne berechnet werden kann und alle anderen Abstände im Sonnensystem.

Diese Methode war insofern enorm praktisch, weil man nicht, wie sonst bei der Parallaxe, den Winkel messen muss, um den sich ein Objekt scheinbar vor dem Hintergrund bewegt. Das ist sehr aufwendig und schwer exakt zu bewerkstelligen. Bei einem Venustransit reicht es aber, die Dauer zu messen, die die Venus vor der Sonne verbringt. Und Zeitmessung war auch im 18. Jahrhundert schon einigermaßen genau möglich. Also zu der Zeit, als Edmond Halley im Jahr 1716 als erster die Idee hatte, den Abstand zwischen Erde und Sonne auf diese Weise zu berechnen. Blöd nur, dass damals kein Venustransit in Reichweite war. Der letzte fand im Jahr 1639 statt und war überhaupt der erste, der nachweislich beobachtet worden ist (so etwas sieht man ja nicht mit freiem Auge und man muss vorher genau berechnen, wann so ein Ereignis stattfindet, wenn man es sehen will). Halley konnte rechnen und wusste, dass der nächste Transit am 6. Juni 1761 stattfinden würde. Der damals 60jährige Astronom konnte sich denken, dass er dieses Ereignis nicht mehr erleben würde, hat aber seine jüngeren Kollegen aufgefordert, sich diese Gelegenheit gefälligst nicht entgehen zu lassen. Was diese auch nicht getan haben. Überall auf der Welt versuchte man im Jahr 1761 die nötigen Messungen anzustellen und das gleiche ist auch noch acht Jahre später passiert, als 1769 der nächste Transit stattgefunden hat. Es gab jede Menge Schwierigkeiten, Abenteuer und man kann wunderbare Geschichten über dieses quasi erste weltweite Forschungsprojekt erzählen. Was ich aber ein anderes Mal tun werde. Am Ende jedenfalls hatte man ein Ergebnis, das aber nicht so genau war, wie gehofft. Die Messungen waren schwieriger als gedacht; 1769 lief es dann schon ein wenig besser und man kam auf einen Abstand zwischen Erde und Sonne von 153 Millionen Kilometer. Schon recht nahe am richtigen Wert, noch besser war es dann beim Transit von 1882. Auch acht Jahre davor gab es einen Transit, aber 1874 war der Transit von fast ganz Europa aus unsichtbar, was eine wirklich genaue Messung behindert hat. Aber 1882 lief es ein wenig besser und man konnte den Wert der Astronomischen Einheit ein wenig genauer bestimmen.

Und vielleicht ist dem einen oder der anderen etwas aufgefallen. Es gab zwei Transits in den Jahren 2004 und 2012. Und zwei in den Jahren 1761 und 1769. Und zwei in den Jahren 1874 und 1882. Mal abgesehen von den langen Zeiträumen dazwischen finden Venustransits offensichtlich immer gleich doppelt stand, mit einem zeitlichen Abstand von acht Jahren. Das kann doch kein Zufall sein? Ist es natürlich auch nicht, sondern wunderbare Himmelsmechanik. Wenn die Venus von der Erde aus gesehen vor der Sonne steht, nennt man das eine "untere Konjunktion" und sie findet alle 583,92 Tage statt. Warum? Weil die Erde für eine Runde um die Sonne 365,256 Tage braucht. Ein Umlauf in 365,256 Tagen, das entspricht einer Geschwindigkeit von 0,0027 Umläufen pro Tag, was zugegebenermaßen eine etwas komische Weise ist eine Geschwindigkeit anzugeben, aber absolut ausreichend für unsere Zwecke. Die Venus bewegt sich mit 0,00445 Umlaufen pro Tag und der Unterschied zwischen beiden Geschwindigkeiten beträgt 0,00171 Umläufe pro Tag. Oder ein kompletter Umlauf um die Sonne alle 583,92 Tage. Anders gesagt: Alle 583,92 Tage steht die Venus wieder in einer unteren Konjunktion. Jetzt gibt es aber nicht alle 583,92 Tage einen Venustransit.

Das liegt darin, dass die Venusbahn ein bisschen in Bezug auf die Erdbahn geneigt ist. Die Linie an der sich die Ebene der Venusbahn und die Ebene der Erdbahn schneiden nennt man die Knotenlinie und diese Linie hat zwei Knotenpunkte, nämlich dort wo sich die Venusbahn mit der Knotenlinie schneidet. Einmal kommt die Venus quasi von oben nach unten durch die Ebene der Erdbahn und einmal von unten nach oben. Und nur wenn die Venus während einer unteren Konjunktion genau in einem Knotenpunkt steht, gibt es einen Venustransit. Wenn wir mal davon ausgehen, dass das zu einem bestimmten Zeitpunkt so ist - wann passiert das das nächste Mal? Nicht nach 583,92 Tagen, dann steht die Venus von der Erde aus gesehen zwar wieder vor der Sonne, aber nicht auf der Knotenlinie sondern irgendwo anders und damit von der Erde aus gesehen ein Stück über oder unter der Sonne. Wir wollen jetzt wissen, wann sich eine untere Konjunktion wiederholt, in der die Venus auf der Knotenlinie steht. Ich spare mir jetzt ein wenig Mathematik und komme gleich zum Ergebnis, nämlich der Tatsache, dass die Erde für acht Umläufe um die Sonne fast genau so lange braucht wie die Venus für 13 Runden. Im ersten Fall sind es 2922,048 Tage, im zweiten Fall 2921,113 Tage. Das nennt sich eine 8:13 Resonanz und heißt: Nach acht Jahren stehen Erde und Venus also in Bezug auf die Sonne wieder so wie zuvor. Wenn die Venus heute auf der Knotenlinie steht, dann wird sie das in acht Jahren wieder tun. Und jetzt schauen wir noch mal auf die 583,92 Tage von vorhin, also die Periode mit der sich eine untere Konjunktion wiederholt. Wenn wir das mit 5 multiplizieren, dann landen wir bei 2919,6 Tagen. Was sehr nahe an den 2922 bzw 2921 Tagen liegt, die wir für die 8:13 Resonanz berechnet haben. Während der acht Jahre, die vergangen sind, seit die Venus das letzte Mal auf der Knotenlinie gestanden ist, haben fünf untere Konjunktionen stattgefunden und die letzte davon zufällig wieder fast genau zu dem Zeitpunkt, an dem die Venus das nächste mal auf der Knotenlinie stand. Und das "fast" ist es, dass die Sache noch ein wenig komplizierter macht. Denn wir haben jetzt rausgefunden, warum sich Venustransits nach acht Jahren wiederholen. Aber noch nicht, warum sie sich nicht ALLE acht Jahre wiederholen. Das liegt an den knapp 2,5 Tagen Unterschied zwischen den beiden Perioden, also der 8:13 Resonanz und der 5fachen Periode der unteren Konjunktion. Ich spare mir wieder die entsprechende Rechnerei, aber wegen dieser Differenz ist die Venus nach acht Jahren 2,5 Tage früher vor Ort als die Erde. Während der 2,5 Tage die die Erde braucht um den Punkt zu erreichen, von dem aus ein Venustransit zu sehen ist, bewegt sich natürlich auch die Venus weiter. Ein Stück von der Knotenlinie weg und damit auch ein Stück nach oben oder unten in Bezug auf die Erdbahn. Um circa 269.000 Kilometer, was einem Winkel von 0,36 Grad entspricht. Der Winkel, den die Sonne von der Erde aus gesehen überdeckt ist aber nur 0,5 Grad groß. Wenn die Venus als zum Beispiel beim ersten Transit gerade am unteren Rand der Sonnenscheibe zu sehen war, dann wird sie beim nächsten Transit acht Jahre später 0,36 Grad weiter oben stehen. Und nochmal acht Jahre später wieder 0,36 Grad weiter oben und damit schon über der Sonne. Es ist kein Transit mehr zu sehen, für lange Zeit. Wie lange?

Das sehen wir, wenn wir uns die Umlaufzeiten noch ein wenig genauer anschauen. Die 8:13 Resonanz von vorhin war zwar halbwegs exakt, aber nicht ganz. Sehr viel exakter ist die Übereinstimmung zwischen 243 Erdjahren, 395 Umläufen der Venus und 152 Wiederholungen der unteren Konjunktion (das dürfen jetzt alle selbst nachrechnen). Nur alle 243 Jahre wiederholt sich die Situation eines Venustransits also wirklich exakt. Und da es ja zwei Knotenpunkt gibt, kriegen wir alle 243 geteilt durch 2 Jahre, also alle 121,5 Jahre einen Transit. Das Transitpaar, das in den Jahren 2117 und 2125 stattfinden wird (oder stattgefunden hat; nochmal Hallo an die Zukunft!) ist die Wiederholung des Transitpaares, das 243 Jahre zuvor in den Jahren 1874 und 1882 stattgefunden hat. Die Transits aus den Jahren 2004 und 2012 sind die Wiederholung der Transits von 1761 und 1769.

Ich weiß, das waren viele Zahlen in dieser Folge. Aber so ist die Astronomie eben auch. Und ich finde es ziemlich erstaunlich, dass man mit gar nicht so komplizierter Mathematik so fundamentale Rechnungen anstellen kann. Wir haben ja wirklich nicht mehr als die Grundrechenarten benötigt und ein bisschen simple Geometrie. Und am Ende konnten wir damit die Ausmaße des Sonnensystems bestimmen und die Abstände zu den Planeten, lange bevor wir in der Lage waren, dorthin zu fliegen.

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